Der etwas andere Kurbericht
über die Ostseeklinik Poel ... von Anke

gefunden bei: www.ostmamis.de

(Liebe Anke! Nachdem ich von Deinem Bericht so begeistert war, wollte ich ihn auf keinen Fall den Usern von www.mutter-kind-kur-poel.de.vu vorenthalten. Solltest Du nicht damit einverstanden sein, dass ich ihn auf meiner Seite veröffentliche, dann gib mir bitte eine kurze Info per Mail. Gruß Heike)
 
Hey Baby - oder: Die es wissen wollten

Zwischen Koffern, Taschen, quengelnden Kindern endlich angekommen: auf einer Insel weit im Meer...
Moment mal, so weit im Meer wohl doch nicht, denn sehen kann ich es noch nicht vom Klinikgelände aus. Da liegt der Schwarze Busch dazwischen. Aber gehört habe ich es, und gerochen. Na und außerdem führt immerhin eine Straße hierher in dieses Mutter-Kind-Paradies, wenn auch eine durchs Wasser abgespeckte.
Paradiesisch wäre wohl jetzt eine Dusche, ein Bett und kein Kind, das jammert, weil es heute morgen noch vor den Hühnern auf Reisen ging, jetzt unbedingt das große Haus erkunden will, die Ostsee hat es auch noch nicht gesehen, und den Fahrstuhl so mega-cool findet.
Doch nein, erstmal Koffer, Taschen , Beutel auspacken und dann mit 200 hungrigen Mäulern wenigstens den Magen befriedigen.
Ein Blick zum Buffet - langsam, ganz langsam dämmert es, warum wir alle hier sind: Verwöhnen lassen und Gedanken an Einkaufen und Kochen weit weg schieben.
Ab morgen versuchen wir’s.

Morgens kurz vor sechs weckt mich die Sonne. Ihr roter Ball taucht alles in vielversprechende Lebendigkeit. Doch auch aus dem dritten Stock und vom Balkon aus kann ich das Meer nicht sehen. Es rauscht irgendwo hinter den Bäumen.
Radio einschalten. „I wanna knowowow...“ Möchte ich auch gern wissen, wo ich gestern abend die Kekse hingesteckt habe. Oje, erst in einer Stunde gibt’s Frühstück! So sitzen dann zwei Krümelmonster auf dem Sofa und bestaunen den Morgen.

Dann geht’s zur ersten Pflicht: Aufnahmeuntersuchung. Ein gequirle wie auf dem Bahnhof. Unterbrochen von freundlichen aber bestimmten Engeln in weißen Kitteln. So nach und nach verschwindet jede Mama mit ihren Zwergen hinter einer der Türen.
Und dann tanzt der Stift über die Behandlungskarten. Für (fast) alle Beschwerden eine Therapie.
Noch Wünsche und Sorgen?
Ja schon.., etwas Ruhe..? Klar doch: Machen Sie mit beim Autogenem Training.
Noch etwas?
Ja, wissen Sie, mein Selbstbewußtsein...
Ich melde Sie bei unserer Psychologin an. Das wird Ihnen guttun. Aber vom Sport kann ich Sie nicht befreien, alle müssen zweimal die Woche.
So, und nun warten Sie bitte draußen, die Ernährungsberaterin ruft Sie auf.
Uff, das kann ja heiter werden! „I wanna knowow...“: ob man sich da erholen kann?

So, Sohnemann ins Kinderland gebracht und auf zum Rundgang, damit ich zur Therapie nicht im Keller lande, wenn autogen in Etage 4 entspannt wird.
War sehr aufschlußreich und fußlähmend, aber nun noch ein Marathon: für jeden Tag hier soll ich das Mittagsmenü wählen. Weiß ich, ob mein Magen in 11/2 Wochen lieber Brokkoliauflauf oder Eintopf wünscht?

Aber nun, nun ist erst einmal ein langes Osterwochenende zum Eingewöhnen. Toll.
Weniger toll ist unsere Laune, als wir am Ostersonntag aus dem Fenster sehen. Bunt müßte die Wiese sein, doch statt Eier liegt ein unschuldiger weißer Teppich vor uns.
„Leise rieselt der Schnee“ - ohweh!


Trotzdem marschiert dann nach dem Frühstück eine große Kapuzenmannschaft los.
Wohin?
Zum Osterspaziergang.
„Vom Eise befreit sind Strom und Bäche...“. Bloß nicht bei uns, nein da kann von Befreiung keine Rede sein, wohl eher von Umklammerung des Ostseewindes mit Schneezugabe.
Hätte nicht gedacht, dass der Osterhase so wetterfest und einfallsreich ist.
Denn im Park vor der Kurklinik finden dann doch noch alle Kinder eine Überraschung, sorgfältig in Zellophan verpackt. Nur das Osterfeuer hat es schwer, es lodert nicht, es brennt mickrig vor sich hin.
Also vom Spazieren haben alle genug, wozu gibt’s die Turnhalle und das Schwimmbad?

Und noch ein Feiertag, bevor es richtig losgeht.
„Hey Baby...“ Also ehrlich, es schwirren mir im Gelände noch zu viele Männer rum. Das soll eine Mutter-Kind-Kur sein? Kann man doch auch daheimbleiben, wenn`s im Kopf kreiselt: Hat Er eine schöne Unterkunft? Was ißt Er und wo? Wann darf Er uns treffen?
Denn niemand fragt, wie Sie ihrem Kind das eingewöhnen erleichtern kann, weil Sie es selbst noch nicht konnte. In Sorge um Ihn wird so mancher nützliche Schwatz mit der Nachbarin und Leidensgenossin verschoben.
Das muss ab morgen anders werden!

Und nun heißt es: Frauen, kommt aus Euren Schneckenhäusern, die Männer sind weit weg!

So beginnt der Kuralltag.
Erstes Gebot: Therapieplan lesen lernen. Man bzw. Frau nehme sich ein großes Blatt, schreibe die Wochentage auf und ordne die Termine nach der Uhrzeit. Aber schöne große Abstände lassen, denn wer weiß, was noch alles dazukommt...
Zweites Gebot: Aushänge lesen und ganz flink in die Listen der Zusatzangebote einschreiben, notfalls mittels Vordrängen...
Drittes Gebot: Frau suche sich eine oder mehrere Leidensgefährtinnen, deren Typ zu ihr paßt, denn geteiltes Leid ist halbes Leid. Und so springt die eine oder andere mehr oder weniger ruhige halbe Stunde heraus.
Viertes Gebot: Ohren gegen Wutgeschrei verschließen. Denn zum Glück ist es nur in 2% der Fälle das eigene Kind!
Fünftes Gebot: Frau genieße die Therapien inklusive die kinderfreie Zeit, denn die nächste Erkältung kommt bestimmt! Und dann sitzen Mütter und Kinder gemeinsam vorm Inhaliergerät.
Sechstes Gebot: Denkt dran, dass Ihr nicht nur Mütter seid! Singt mit: „Hey Baby...“!
Und das so gekonnt, dass sich die Klinik den DJ für die Abschlußfeier sparen kann...

Na ja, so in der dritten Woche schleppe auch ich meine Heiserkeit und mein hustendes Kind zum Arzt. Die Schwester freut sich diebisch: „Haben wir wieder jemanden erwischt, der noch nicht zum Inhalieren war!“

Endlich wird es wärmer, wir kriegen Sommerlaune mit im-Sande-faulenzen und beim Sandbanktreten beißt die Ostsee nicht mehr.
Die Kassen sollten uns noch 4 Wochen geben!


Kulinarisch eigentlich immer verwöhnt, gibt’s noch ein Überraschungsessen für die Mütter.
Das erinnert mich an das Abschlußessen beim Traumschiff.
Nur waren da ganz gewiß nicht soviel Frauen anwesend. Dachte immer, unsere Kinder strapazieren unsere Ohren, aber wir Mütter können auch schnattern wie im Gänsestall.

Vor allem nach einem 94er Alsheimer Müller-Thurgau.
Zum Auftakt gibt es Sommerlichen Blattsalat mit Balsamicovinaigrette mariniert, Eismeershrimps und Buttercroutons.
Auf dem Teller hochgebauscht, im Mund kaum wahrnehmbar.

Erwärmend wirkt dann die Gemüsebrühe mit Gemüsejulienne und Grießklößchen.

Und nun warten wir auf das sättigende Schweinelendchen mit Rahmpilzen, dazu Gemüse mit Hollandaise und Herzoginkartoffeln.

Die Krönung bildet die Eisbombe“SANITAS“, deren Wunderkerzen unsere Fantasie anregt

Schon toll, nur nicht, wenn der Sohn keine Lust auf Mittagsschlaf und Betreuung durch andere hat.
Aber das Eis hat ihm geschmeckt.

Wer hat behauptet, vier Wochen sind lang?
Aber eines steht fest: wenn es über hundert verschiedene Ansprüche gab, sie wurden fast alle erfüllt. Unglaubwürdig? Dann denke Frau daran, wer für sie daheim kocht und putzt,
wohin sie die Kinder zur Betreuung fahren muss, wieweit es zu Schwimmbad, Arzt, Masseuse, Fitnesstudio ist. Ganz zu schweigen von der berauschenden Ostsee und vielen ungenannten Kleinigkeiten.
„Hey Baby...“ Wir wollten es wissen, ob es möglich ist, den roten Knopf zum Abschalten zu finden.

Bleibt die Frage: in drei oder vier Jahren, welchen Titel besingen wir dann?

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